Umgang mit Aphasikern

Aphasiker verstehen

(in Anlehnung an Luise Lutz „Das Schweigen verstehen“)

• Behandeln Sie den Aphasiker als gleichwertigen Gesprächspartner!
„Sprache ist äußerst wichtig, aber sie darf nicht alles sein. Der Aphasiker ist nicht
nur Aphasiker. Er ist noch der Mensch, der er vor Ausbruch der Aphasie war, mit
allen seinen Eigenschaften, seinem Wissen und seinen Wünschen.“

> Beziehen Sie den Aphasiker immer in ein Gespräch mit ein
> Sprechen Sie nicht über seinen Kopf hinweg
> Geben Sie nicht vor, verstanden zu haben, wenn es nicht so ist.
Zeigen Sie dem Aphasiker auf freundliche Weise mit Mimik und Gestik, daß Sie das Gesagte nicht verstehen, aber aufmerksam zuhören und sich um Verstehen bemühen

• Hören Sie geduldig zu!
Aphasiker benötigen mehr Zeit für Ihre Äußerungen. Es ist ganz normal, daß die dabei entstehenden, längeren Pausen den Zuhörer ungeduldig und nervös machen.

> Halten Sie längere Gesprächspausen aus
> Helfen Sie nicht mit Wörtern aus, solange der Aphasiker noch überlegt, denn Wortvorschläge können ihn beeinflussen und das Gespräch zu sehr in Ihre Richtung lenken
> Ausnahme: Unterbrechen Sie bei hartnäckigen Wort- oder Satzwiederholungen (sog. Perseverationen) und lenken Sie ab

• Achten Sie auf nicht-sprachliche Signale!
Kommunikation umfaßt mehr als nur Sprache. Häufig kann man Aphasiker besser verstehen, wenn man neben der Sprache auch andere Formen der Kommunikation mit einbezieht., z.B.

> Mimik, Gestik und Körpersprache
> Tonfall
> Gegebenheiten der Situation

• Achten Sie auf den Inhalt des Gesagten, nicht auf die Form!
Akzeptieren Sie die Aussage eines Aphasikers auch wenn sie fehlerhafte Wörter oder Grammatik aufweist. Wichtig ist nur, daß Sie das Gesagte richtig verstanden haben.

> Verbessern Sie den Aphasiker nicht bei fehlerhaften Wörtern oder Sätzen
> Konzentrieren Sie sich vielmehr auf den Inhalt des Gesagten

• Suchen Sie die Absicht hinter dem Gesagten!
Manchmal können Worte, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben, doch zur dahinter stehenden Absicht des Aphasikers führen: Häufig passiert es, daß der Aphasiker statt des beabsichtigten Wortes ein Wort benutzt, das mit ihm in Beziehung steht.

Suchen Sie deshalb z.B. nach
> Gegensatzpaaren (bei „warm“ ist evt. „kalt“ gemeint)
> Wörtern mit ähnlichen Lauten und Silbenzahl (bei „Maus“ ist evt. „Haus“ gemeint)
> Wörtern, die dem gleichen Oberbegriff untergeordnet sind (bei „Tisch“ ist evt. „Stuhl“ gemeint, die beide unter den Oberbegriff „Möbel“ fallen)
> über- bzw. untergeordneten Wörtern (bei „Apfel“ ist evt. „Obst“ bzw. bei „Gemüse“ ist evt. „Kartoffel“ gemeint)
> Wörtern, die in einer situativen oder örtlichen Beziehung zum gesuchten Wort stehen (bei „Wasser“ ist evt. „naß“ oder bei „Jazzkeller“ ist evt. „Saxophon“ gemeint)

• Fordern Sie den Aphasiker nicht auf, sich zu konzentrieren!
Angestrengte Konzentration fördert sprachliche Prozesse nicht sondern führt eher zu Blockierungen.

> Schlagen Sie dem Aphasiker vor, daß er versucht, seine Gedanken auf andere Art zu äußern (z.B. durch Gesten, Bild zeigen, Suchen eines anderen Wortes etc.)
> Setzen Sie den Aphasiker nicht unter Druck („Vielleicht kannst Du es später sagen“)

• Fordern Sie nicht zum Nachsprechen auf!
Bei Aufforderungen wie „Sag: Danke“ oder „Sag: Auf Wiedersehen“ fühlen sich Aphasiker wie kleine Kinder behandelt und nicht ernst genommen. Dazu kommt, daß Nachsprechübungen die Aphasie nicht beheben können.

• Geben Sie nicht auf!
Weil Aphasiker häufig nicht verstanden werden, neigen sie dazu, schnell aufzugeben. Resignation kann jedoch zu sprachlichen, psychischen und sogar physischen Rückschritten im Heilungsprozeß führen.

> Ermutigen Sie, unter Beachtung der oben genannten Regeln, immer wieder zu neuen Versuchen, sich auszudrücken > Ein wichtiger Satz: „Wir werden herausfinden, was Du sagen möchtest!“


Von Aphasikern verstanden werden

(in Anlehnung an Luise Lutz „Das Schweigen verstehen“)

• Generell zu beachten:
Das Verstehen eines Aphasikers hängt von verschiedenen Einflüssen ab:

> Moment:
Es kann vorkommen, daß der Aphasiker in einem Moment besser versteht als in einem anderen
> Gesprächspartner:
Einige Personen können besser verstanden werden als andere Gesprächspartner
> Thema:
Der Aphasiker versteht evt. besser das, was mit seinem Beruf
zusammenhängt, als manches andere
> Situation:
Der Aphasiker versteht das, was er aufgrund der Situation erwartet

• Achten Sie auf eine ruhige Gesprächsumgebung!
Aphasiker brauchen viel Ruhe zum Verstehen, da ihre Verstehensprozesse störungsanfälliger sind als bei Nicht-Aphasikern.

• Setzen Sie nicht-sprachliche Signale ein!
Sie sollten alles, was Ihnen zusätzlich zu Worten zur Verfügung steht, um Informationen zu übermitteln, zur Hilfe nehmen, z.B.

> Mimik, Gestik und Körpersprache
> Tonfall
> Schrift und Bilder/Zeichnungen

• Achten Sie auf eine natürliche Sprechweise!
Ändern Sie nicht in Gesprächen mit Aphasikern die Lautstärke oder Ihre Sprechweise, sondern sprechen Sie

> ruhig
> nicht zu schnell
> mit normalem Tonfall
> nicht lauter als mit anderen Personen

• Variieren Sie den Wortlaut!
Wenn ein Aphasiker das Gesagte nicht verstanden hat, kann dies an der Wahl der Worte liegen.

> Wählen Sie bei der Wiederholung des Gesagten andere Formulierungen
> Vermeiden Sie allzu lange und verschachtelte Sätze. Verwenden Sie statt dessen kurze Formulierungen

• Stellen Sie Ja-Nein-Fragen!
Im Gegensatz zu Ja-Nein-Fragen sind offene Fragen („Was hast Du heute vor?“) und Alternativfragen („Möchtest Du lieber Kaffee oder Tee?“) für Aphasiker häufig schwer zu beantworten. Zu beachten ist jedoch, daß „ja“ und „nein“ nicht immer richtig eingesetzt werden.

Deshalb:
>Verwenden Sie Fragen, die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können
>Fragen Sie evt. mit einer anderen Formulierung noch einmal nach (z.B. erst „Gehst Du heute in die Stadt?“, dann „Du bleibst also nicht zu Hause?“)